Die Gründer des Studienfachs Technical Content Creation im Gespräch mit dem Magazin get it: Usability oder Social Media – Vor 20 Jahren hat davon noch kein Mensch gesprochen. Damals wurde an der Hochschule Aalen das Studienfach Technische Redaktion gegründet. Die Professoren Peter Gerloff und Ulrich Schmitt, die für die Einrichtung des Fachs gekämpft haben, erinnern sich. Mit im Boot, die erste Professorin des Studiengangs Monika Weissgerber, die ein Jahr später berufen wurde.
Worauf sind Sie besonders stolz und was sind die größten Erfolge seit der Gründung?
Weissgerber: Das Studienfach ist ein Erfolgsmodell. Die Absolventen sind uns von Anfang an regelrecht aus der Hand gerissen worden. Und das ist auch heute noch so. Bislang hat jeder von ihnen einen Job bekommen. Viele haben inzwischen Leitungspositionen von großen Abteilungen in namhaften Firmen. Außerdem haben bislang drei unserer Absolventen promoviert, von denen mittlerweile zwei eine Professorenstelle haben. Unsere Studierenden haben auch schon einige Preise gewonnen, wie z. B. mehrfach den ersten Platz beim Tanner-Wettbewerb.
Welche Gründe gab es für die Einführung eines neuen Studienschwerpunkts in der Mechatronik und warum fiel die Wahl auf das Fach Technische Redaktion?
Gerloff: Damals brach die Anzahl der Studierenden an der Hochschule im Allgemeinen dramatisch ein. Die Idee, um neue Studierende zu gewinnen, war dann, ein neues, sowohl für Studierende als auch für Unternehmen interessantes Studienfach zu gründen. Auf Grund meiner Vorerfahrung in der Industrie bin ich auf die Idee des Studienfachs „Technische Redaktion“ gekommen.
Schmitt: Der Charme dabei war, dass man dadurch eine ganz andere Zielgruppe anspricht und nicht in dem gleichen Pool, der zur damaligen Zeit leer war, fischt. Unter anderem wollten wir mit dem Studienfach auch Frauen für ein Studium an unserer Hochschule gewinnen.
Was waren die größten Hürden bei der Gründung bzw. in den ersten Semestern des neuen Studienschwerpunkts und wie haben Sie diese überwunden?
Gerloff: Der Kostenfaktor spielte eine große Rolle. Der neue Studiengang sollte möglichst kein Geld kosten. Da wir im ersten Semester aber 30 Studierende hatten, musste vor allem ein Professor oder eine Professorin her. Dafür benötigten wir eine Stellengenehmigung, was nicht ganz einfach war.
Weissgerber: Außerdem mussten wir Lehrbeauftragte akquirieren. Das war eine Herausforderung, denn damals gab es keine Plattformen wie Xing oder LinkedIn. Wir waren viel unterwegs, um kompetente Dozenten zu finden.
Gerloff: Wir mussten es auch schaffen, innerbetrieblich die Akzeptanz zu bekommen für diesen ‚neumodischen Kram‘.
Schmitt: Da muss man sagen, heute noch großen Respekt und großer Dank an die Kollegen des Studiengangs Mechatronik, die uns zwei haben machen lassen. Wir haben damals viel Freiraum und großes Vertrauen bekommen, obwohl wir erst relativ kurz an der Hochschule tätig waren. Um das Studienfach genehmigt zu bekommen, mussten wir einige Instanzen durchlaufen. So war ich beispielsweise mit dem Rektorat in Stuttgart bei der Akademie für Technikfolgenabschätzung, die ein Gutachten für das Ministerium schreiben musste.
Frau Weissgerber, Sie waren die erste Professorin des neuen Studienfachs. Was war für Sie damals der Anreiz an die Hochschule Aalen zu kommen?
Weissgerber: Ich hatte zu der Zeit bereits eine bunte Mischung an Berufserfahrungen. Neben meiner Ausbildung als Fachjournalistin für EDV hatte ich Lehr- und Forschungserfahrungen an in- und ausländischen Hochschulen. Außerdem hatte ich zwei Stellen als technische Redakteurin. Faszinierend war für mich die Vorstellung, all diese Vorkenntnisse zu bündeln und meine Erfahrungen in einem Beruf einfließen lassen zu können. Außerdem habe ich schon immer gerne Leuten etwas vermittelt. Mir gefiel die Vorstellung, pädagogisch wirksam zu sein.
Wie haben Sie damals Marketing betrieben und Studierende für die Technische Redaktion begeistert?
Gerloff: Vor 20 Jahren wusste in Aalen keiner so genau, was in diesem grauen Gebäude im Hüttfeld los ist. Es fand keinerlei Öffentlichkeitsarbeit statt. Wir haben uns dazu entschlossen, die Öffentlichkeit sehr wohl miteinzubeziehen. So haben wir das Radio, Zeitungen und das Fernsehen mit ins Boot geholt. Wir haben auch Events an der Hochschule veranstaltet. Eines, als das erste Semester bereits da war, war zum Beispiel in Kooperation mit der Firma Ziegler und der Feuerwehr Aalen. Wir haben ein Feuerwehrauto zur Verfügung gestellt bekommen mit dem Hintergedanken, eine Schwachstellenanalyse der Bedienungsanleitung durchzuführen. Es war damals ein großes Spektakel mit Blaulicht und Rauchbomben, was natürlich große Aufmerksamkeit erregte. Das Fernsehen und das Radio berichteten über uns.
Weissgerber: Wir haben nichts ausgelassen. Wir sind auch auf sämtliche Ausbildungsmessen, in Schulen und zur Agentur für Arbeit gegangen, um Werbung zu betreiben.
Wie haben sich die Fächer vor 20 Jahren zusammengesetzt und wie haben sie sich im Laufe der Zeit verändert?
Gerloff: Das Konzept war: ein Drittel Grundlagen, ein Drittel Technik und ein Drittel Redaktion. Die Fächer zu den Grundlagen und zur Technik wurden aus dem bestehenden Studiengang Mechatronik übernommen.
Schmitt: Um festzustellen, welche Fächer wichtig für die Redaktion sind, haben wir uns mit Experten getroffen und Industriebetriebe miteinbezogen.
Weissgerber: Der Grundstamm der Fächer ist immer noch gleich. Die Veränderungen haben mit dem Voranschreiten der Technologie zu tun. Darauf haben wir schon immer reagiert und neue Fächer geschaffen. Wir sind der technologischen Entwicklung gefolgt. Und das wird auch weiterhin passieren. Außerdem sind nach einiger Zeit neue Professoren hinzugekommen, die natürlich ihre Interessen mitgebracht haben. So sind beispielsweise Vorlesungen wie Usability oder Social Media entstanden. Ich denke, nun haben wir eine schöne Vielfalt, die den Absolventen ermöglicht, nach dem Studium verschiedene Richtungen einzuschlagen.
Danke für das interessante Interview. Wir wünschen Ihnen noch alles Gute.
Text & Bild: Julia Baier | get it 2017 – Jubiläumsausgabe Technische Redaktion